Das fehlende Glied in der Kette
Hip Hip Hercule!
Vor 100 Jahren löste der berühmteste Ermittler der Welt seinen ersten Fall
Wer hat die wohlhabende Mrs Emily Inglethorp auf ihrem Landgut Styles Court vergiftet? Ihr Ehemann Alfred, der es scheinbar auf das Erbe abgesehen hat? Doch auch ihre Stiefsöhne oder die launische Haushälterin könnten die Mörder sein. In seinem ersten Fall nimmt Hercule Poirot alle Bewohner von Styles gründlich unter die Lupe, bis er das fehlende Glied in der Kette gefunden hat.
Agatha Christies Debütroman war das Ergebnis einer Wette: Die Autorin, die zuvor noch kein einziges Buch geschrieben hatte, würde es nicht schaffen, eine Detektivgeschichte zu schreiben, bei der der Leser einfach nicht auf den Mörder kommt, obwohl er die gleichen Hinweise erhält wie der Ermittler. Nun, lösen Sie das Rätsel noch vor Poirot?
Inhalt
Die wohlhabende Mrs Emily Inglethorp wird auf ihrem Landgut Styles Court vergiftet, und alle in ihrem Umfeld scheinen verdächtig: ihr deutlich jüngerer Ehemann Alfred, den die Familie für einen Erbschleicher hält, ihre Stiefsöhne, die langjährige Gesellschafterin und die junge Krankenschwester, eine Waise, die Emily unterstützt hat. Um Licht ins Dunkel zu bringen, holt Lieutenant Arthur Hastings, der nach einer Kriegsverletzung zu Besuch in dem großzügigen Herrenhaus weilt, seinen Bekannten zu Hilfe, einen pensionierten belgischen Polizisten, der sich als Flüchtling in der Nähe niedergelassen hat. Auftritt Hercule Poirot! Und natürlich findet am Ende er und nicht Inspector Japp von Scotland Yard das „fehlende Glied in der Kette“.
Agatha Christies Debütroman war das Ergebnis einer Wette: Sie, die noch nie ein Buch veröffentlicht hatte, würde es nicht schaffen, eine Detektivgeschichte zu schreiben, bei der die Leserinnen und Leser einfach nicht auf den Mörder kommen, obwohl sie die gleichen Hinweise erhalten wie der Ermittler. Der erste Fall von Hercule Poirot, bis heute einer der beliebtesten Detektive weltweit, beweist: Agatha Christie hat die Wette gewonnen!
Entstehung
Im Ersten Weltkrieg arbeitete Agatha Christie im Krankenhaus des Roten Kreuzes in Torquay, erst als Krankenschwester, dann in der Apotheke, wo ihr mehr freie Zeit zur Verfügung stand und sie sich an die fast acht Jahre zurückliegende Wette erinnerte. Sie hatte schon einige Gedichte und die heute verschollene Geschichte The House of Beauty verfasst, seit ihre Mutter sie während einer Krankheit als Ablenkung zum Schreiben ermutigt hatte. Nun wollte sie ihrer älteren Schwester beweisen, dass ihr eine richtige Detektivgeschichte gelingen würde, deren Lösung Margaret („Madge“, genannt „Punkie“) nicht würde erraten können. Umgeben von Medikamenten, entwarf sie die Handlung rund um einen Giftmord, und eine ihrer Figuren ließ sie ebenfalls als Krankenschwester arbeiten – so wie es auch ihre fiktive Heldin mehrerer Romane, Tuppence Beresford, im Ersten Weltkrieg tat. Zu ihrem Detektiv ließ Agatha Christie sich durch eine Gruppe von belgischen Flüchtlingen in ihrer Geburtsstadt inspirieren. Er sollte einen großen Namen tragen. Sie entschied sich für Hercules, änderte ihn jedoch leicht, damit er besser zum Nachnamen passte – et voilà, Hercule Poirot!
Als die Arbeit ins Stocken geriet, schlug ihre Mutter ihr vor, ihren zweiwöchigen Urlaub ganz diesem Roman zu widmen. Und weil sie den ersten Entwurf tatsächlich 1917 in Dartmoor abschließen konnte, benannte das dortige Moorland Hotel in Haytor seine Bar nach Agatha Christie, und sie widmete ihren ersten Roman ihrer Mutter Clarissa („Clara“) Boehmer Miller, der sie sehr nahestand.
Doch das fertiggestellte und abgetippte Manuskript wurde von mehreren Verlagen abgelehnt und erst Jahre später von The Bodley Head angenommen. Verleger John Lane verlangte allerdings eine Änderung des Schlusses: Die ursprüngliche Aufklärung des Falls während einer Gerichtsverhandlung wurde nach Styles verlegt. Und so enthält bereits der erste Poirot-Roman neben anderen Elementen des Goldenen Zeitalters des Detektivromans, die wesentlich von Agatha Christie mitgeprägt wurden (ein isoliert liegendes Landhaus, ein halbes Dutzend Verdächtige, die alle ihre Geheimnisse haben, falsche Fährten und überraschende Wendungen), eben auch das Poirot-typische Finale.
Außerdem führt er die beliebtesten Sidekicks von Poirot ein: Inspector (später Chief Inspector) Japp von Scotland Yard, der in acht Romanen und sieben Kurzgeschichten Poirots Überlegenheit nur widerwillig akzeptiert, und Captain Hastings, der in acht Romanen, 21 Kurzgeschichten und einem Theaterstück trotz weniger präzise arbeitender kleiner grauer Zellen hin und wieder die richtige Frage stellt. Er ist es auch, der in diesem Roman als Ich-Erzähler die erste Beschreibung des Meisterdetektivs liefern darf: „Poirot war ein kleiner Mann von ungewöhnlichem Aussehen. Er war knapp einen Meter sechzig groß, aber seine Haltung verriet Würde. Sein Kopf hatte genau die Form eines Eies, und er neigte ihn stets ein wenig zur Seite. Sein Schnurrbart war mit militärischer Strenge steif gezwirbelt. Seine Erscheinung war von geradezu unglaublicher Korrektheit, wahrscheinlich hätte ihm ein Staubkorn mehr Unbehagen verursacht als eine Schusswunde.“
Der Roman erschien 1920 und wurde ein so großer Erfolg, dass Agatha Christie und ihr erster Ehemann Archie ihr Haus Styles tauften. In seinem letzten Fall kehrt auch Poirot noch einmal an den Beginn seiner Karriere als Privatermittler zurück: Vorhang spielt ebenfalls auf Styles Court.
Rezeption
„Obwohl dies das erste veröffentlichte Buch von Agatha Christie ist, verrät es die Gerissenheit eines alten Hasen … Und Sie können getrost eine Wette mit sich selbst eingehen, dass Sie, bis Sie Monsieur Poirots letztes Wort zu der mysteriösen Affäre in Styles gehört haben, an der Lösung rätseln und dieses höchst unterhaltsame Buch ganz sicher nicht aus der Hand legen werden.“ The New York Times Book Review, 1920
Das Buch landete 2020, zum 100. Jubiläum Poirots, auf Platz 1 der Top Ten der besten Christie-Romane des britischen Fernsehsenders Channel 5.
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