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Ich wurde also eine ordentliche Redakteurin. Sehr vernünftig. Eine Zeitlang machte die Arbeit auch Spaß. Aber eigentlich wollte ich zum Radio, wenigstens nebenbei. Doch das ließ mein Arbeitgeber nicht zu. Mein Arbeitgeber, bei dem ich schon hätte silberne Löffel klauen müssen, um den Job zu verlieren. Studieren wollte ich inzwischen auch, nach fünf Jahren Tageszeitung zwischen Schützenfest, Lokalpolitik und Kaninchenzuchtverein. Politik und Geschichte auf Magister am liebsten. "Brotlos, bleib bei der Zeitung, sei doch vernünftig! " sagten die Eltern. War ich. Ich kündigte, studierte, was ich wollte, und arbeitete als freie Mitarbeiterin für den NDR, später für Radio ffn.
Zur Überraschung meiner selbst und meiner Mutter machte ich an der Uni Osnabrück ein glänzendes Examen, arbeitete eine Zeitlang in Münster für den WDR und dann ging es wieder los mit der Unzufriedenheit. Das Gegenmittel: Aussteigen, nach Gomera ziehen, wenigstens für ein Jahr! Ich, chronisch pleite, ging zur Bank und verhandelte über einen Kredit für einen Campingbus. Den Eltern gegenüber hielt ich den Mund. Sie würden ohnehin nie verstehen, dass ich vernünftig mit glücklich übersetzte. Und manchmal, wenn denn der Job stimmte, Glücklichsein mit Arbeiten (das gefiel den Eltern schon besser). "Konzeption, Redaktion und Moderation einer 90minütigen Radio-Talkshow" stand auf der Ausschreibung, die eines Tages in meinem Faxgerät steckte. Darauf hatte eine befreundete Kollegin den Satz geschrieben "Bettina, deine Stelle!". Ich bewarb mich und war einige Wochen später in Hannover beim NDR. Aus der Möchtegern-Globetrotterin im Campingbus war eine festangestellte Redakteurin mit Altbauwohnung und Einbauküche geworden. Mutter war begeistert.
Dann traf ich den Mann, der meine Reise-Sehnsüchte wieder weckte, Gerhard Ebel. Sein Traum: Ein Boot bauen und in die Welt segeln. "Ich könnte vielleicht die Vorhänge nähen" sagte ich. Damals kannten wir uns ungefähr zehn Stunden. Wir hatten keine Erfahrung im Bootsbau und wir konnten nicht segeln. Egal. Diesmal konnte ich die Sorgen der anverwandten Bedenkenträger sogar verstehen.
Zweieinhalb Jahre später war das Boot fertig, wir lagen im Hafen von Oldenburg am Kai und verabschiedeten uns von meinem Eltern. Ich war 35. Ich war dabei, ein großartiges Abenteuer zu erleben, mir einen Traum zu erfüllen. Vernünftiger geht's für mich nicht.
Und jetzt? Ich arbeite für Radio Bremen und den NDR, verdiene Geld und hoffe, in absehbarer Zeit wieder vernünftiger leben zu können: Auf meinem Boot, Bücher schreibend, frei.
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